Ich bin in einem kleinen Dorf im Nordburgenland aufgewachsen. Bauen war damals etwas, was die Leute einfach taten. Etwas sehr Natürliches. Der Vater meiner Kindheitsfreundin war Maurer. Dauernd wurde in ihrem Haus etwas addiert oder subtrahiert. Ein stetiger Wandel. Aber auch Nachbarn, die keine Handwerker waren, schienen einfach zu bauen. Besonders beliebt waren Grundstücksbegrenzungen, Vorgärten, Scheunen, Werkstätten, Keller und Hobbyräume. Mein Interesse galt vorwiegend den Scheunen und Arbeitsstätten. Die Nutzgebäude auf den „Hintaus“ Straßen wuchsen und transformierten sich. Zufällig zusammengewürfelte Materialen. Reste aller Art wurden verwendet und verbraucht. Die Menschen bauten sich ihre Welten. Keine Scheu gegen Regeln zu verstoßen oder ästhetischen Dogmen folgen zu müssen.

Später fand ich heraus, dass es dafür Bezeichnungen gibt. Anonyme Architektur. Architektur ohne Architekt. So wurde natürlich immer schon gebaut. Das ist die Urform. Die auch heute noch weiterlebt. Für mich ist sie eine große Inspirationsquelle. Genauso wie man Pläne und Gebäude von ausgebildeten Planerinnen und renommierten Architektinnen studiert, versuche ich auch diese Seite der Architektur zu entdecken und daraus zu lernen. Ohne zu werten, stecken in diesen unterschiedlichen Methoden viele Wahrheiten. Der profunde, natürliche Weg einfach drauf los zu bauen, transportiert seine eigenen Charakteristika. Etwas sehr Wertvolles, wie ich finde. Manchmal etwas, das man nur schwer reproduzieren oder künstlich erzeugen kann.

Naive Architektur

Die Faszination dieser Orte blieb. Ich begann Fotos zu schießen, die sich zu einem wachsenden Katalog formten. Stimmungen, Material, Form, Verhältnis, Oberfläche, Licht, Schatten, Details, Atmosphären wurden fotografisch festgehalten. Eine Auseinandersetzung mit der Umgebung. Ich fand heraus, dass man solche Orte überall findet und fing an zu sammeln. Eine Studie der Elemente und des Lichtes. Ein Versuch diese kurzen Momente, die Merkmale und die Atmosphären dieser Orte so gut es geht festhalten. Durch Sammeln und in-Beziehung-Setzen von räumlichen Erfahrungen, skizziert mittels Fotografie. Für mich sind diese Notizen wertvolle Hilfsmittel und Werkzeuge um meine eigenen Vorstellungen von adäquater Architektur voranzutreiben.

Fotobuch “Naives Bauen”, Eigenverlag: Wien, 2022